Tschüss, Stoppuhr. Hallo, digitale Wertstrom-Optimierung!

Die übergreifende Produktionsdaten-Erfassung stellt in Fertigungen mit Maschinen mehrerer Generationen von unterschiedlichen Herstellern eine große Herausforderung dar. Nichtsdestotrotz sind heterogene Maschinen-Umgebungen häufig nicht die Ausnahme, sondern die Regel. In Produktionen der Holz- und Möbelindustrie sind zudem sehr kurze Durchlaufzeiten und eine große Anzahl schnell beweglicher Teile üblich, die das Messen der Produktionsdaten zusätzlich erschweren. Diese Rahmenbedingungen machten eine automatisierte Datenerfassung in der Vergangenheit nahezu unmöglich. Wer bisher eine Wertstromoptimierung durchführen wollte, schickte einen Mitarbeiter mit Stoppuhr in die Produktionshalle. Wie man heute den Produktionswertstrom mit einem Smartphone digital erfassen und automatisierte Wertstromanalysen generieren kann, erklären Florian Hauswirth und Bastian Schulz von SCHULER Consulting in diesem Beitrag.

Ein Beitrag aus der möbelfertigung 01/2021: Hier gelangen Sie zur Ausgabe

Produktionsdaten in heterogenen Maschinen-Umgebungen digital erfassen 

Die vielen verschiedenen Steuerungsinstrumente im Cockpit eines Flugzeuges gewährleisten, dass der Pilot sein Luftvehikel sicher von einem Ort zum nächsten navigieren kann. Fallen diese Bedien- und Kontrollinstrumente aus, sind Turbulenzen vorprogrammiert. Die gründlichen Checks all dieser Funktionen durch erfahrene Techniker und die Bord-Crew am Boden, sollen dieses Worst-Case-Szenario verhindern. Doch was hat der Exkurs in die Aviatik mit der Produktionsdaten-Erfassung in der Holz- und Möbelindustrie zu tun? 

Produktionen im Blindflug

Ein zentrales „Produktions-Cockpit“, in dem alle Informationen über die Fertigung zusammenfließen, ist bei Möbelherstellern in den wenigsten Fällen heute schon Realität. Die Maschinendaten aus komplexen Fertigungsprozessen zu sammeln und auszuwerten, war bisher ein mühsamer und kostenintensiver Prozess mit hohem Personalaufwand. Daraus resultiert, dass viele Hersteller die Produktionsdaten-Erfassung vernachlässigen und ihnen umfassende Informationen über ihre Fertigung fehlen. Sie sind weder über den IST-Zustand in ihren Produktionen noch über das Optimierungspotenzial, das in ihren Fertigungshallen schlummert, im Bilde. Ohne einen genauen Kenntnisstand über Maschinen- oder Auftragszustände navigieren sie ihre Produktion wie im Blindflug.

Natürlich ist der Zustand des „Blindflugs“ nicht wünschenswert. Um die Abläufe in ihrer Produktion zu bewerten und zu verbessern, setzten viele Hersteller in der Vergangenheit auf bewährte Methoden wie die Messung von Vorgabezeiten. Man führte teure REFA- und Wertstrom-Aufnahmen durch, die jedoch immer wieder aktualisiert werden müssen, da sie nur eine Momentaufnahme abbilden. Diese Methoden haben durchaus ihre Daseinsberechtigung und können extrem nützlich sein sowie hohe Wettbewerbsvorteile bieten – nur nicht aufgenommen wir vor 20 Jahren. In Anbetracht der heutigen Prozesskomplexität sind diese Analyseverfahren mit hohem Aufwand verbunden. Hinzu kommt, dass sie durch den Rückgriff auf manuelle Methoden der Daten-Erhebung enorm fehleranfällig sind.

Das Potenzial von Wertstromanalysen

Das Wertstrommanagement ist ein strategischer Ansatz, ein Unternehmen ganzheitlich zu verschlanken. Dabei werden Produktions-, Material- und Informationsflüsse betrachtet. Durch eine Wertstromanalyse kann man sich einen sehr guten Überblick über die Situation in der Fertigung verschaffen und hat alle Mittel zur gezielten Optimierung von Produktionsprozessen in der Hand. Das ist wichtig, denn der schwächste Prozess bestimmt die Produktionsleistung – und dieser ist nicht immer leicht zu erkennen.

Hinzu kommt, dass Produktionen heute immer komplexer werden. Das wachsende Bedürfnis des Endkunden nach Individualisierung wirkt sich unmittelbar auf die Hersteller aus. Wer weiter wettbewerbsfähig bleiben will, muss die Herausforderungen des Marktes und des eigenen historischen Wachstums überwinden. Die Wertstromanalyse bietet hierbei einen sehr guten Ansatz, sich einen fundierten Überblick über die eigene Produktion zu verschaffen, redundante und kostenintensive Prozesse zu identifizieren und durch gezielte Optimierungen zukunftsfähig zu bleiben.

Hierbei gilt: Die Aussagekraft einer Wertstromanalyse ist immer von der Qualität der erfassten Produktionsdaten abhängig. In heterogenen Maschinen-Umgebungen mit Maschinen unterschiedlicher Hersteller verschiedenen Alters können die Daten jedoch oft gar nicht erst aus den Systemen herausgelesen werden. Das ist vielerorts eine große Herausforderung, sodass man auf manuelle Mess-Methoden zurückgreift. Doch auch das ist problematisch, denn dort wo Maschinenlaufzeiten manuell – zum Beispiel mit einer Stoppuhr – erfasst werden, sind die Daten häufig unvollständig oder fehlerhaft.

Durch digitale Technologien die Übersicht (zurück)gewinnen

In unserem Team „Industrie 4.0“ bei SCHULER Consulting haben wir für die Daten-Erfassung im Rahmen einer Wertstromanalyse den Einsatz digitaler Technologien erprobt. Das Ergebnis: Bereits gängige Smartphone-Technologie bietet eine Antwort auf die Herausforderungen in komplexen Maschinen-Umgebungen. Durch eine „digitale Wertstromanalyse“ mit Smartphones ist es möglich, Produktionsdaten unabhängig von Maschinentyp, Hersteller oder Anwendungsbereich zu erfassen – und das ohne großen Personalaufwand oder hohe Implementierungskosten.

Bei der anschließenden Wertstromoptimierung liegt das Hauptaugenmerk auf der digitalen Erzeugung der Wertstromkarte und zwar ohne manuelles Zutun. Das Ziel ist, Unternehmen täglich und ganzheitlich zu optimieren. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess wird dabei neu gedacht: Veränderungen und durchgeführte Optimierungen können durch den Einsatz digitaler Technologien detailliert nachverfolgt werden. Die Wirkung der Optimierungsmaßnahme wird dabei nicht nur an einzelnen Zellen gezeigt, sondern im Kontext des gesamten Unternehmens.

Den Produktionswertstrom mit dem Smartphone abbilden

Bei SCHULER Consulting bieten wir die Dienstleistung in einem Set bestehend aus bewährter Kalkulationsmethodik, Bluetooth low energy beacons und Smartphones, an. Die Smartphones besitzen hierbei keinerlei Softwareschnittstellen und sind somit vollständig extern lauffähig. Technisch wird von den Smartphones nur der Prozessor, der Speicher, die Sensorik und die Verbindungsprotokolle genutzt – der Rest wird in der Root-Ebene deaktiviert und geschützt. Das Smartphone fungiert letztendlich wie eine Sensorbox auf der verschiedene Applikationen laufen.

In der Produktion übernimmt das Smarthone die externe sensorische Überwachung der Maschinen und Arbeitsplätze. In Verbindung mit den Bluetooth LE Beacons kann es beispielsweise die Stapel in einer Produktion lokalisieren. In Verbindung mit unserer Kalkulationsmethodik können mit diesem Hardware- und Softwareset viele Maschinen und Betriebsdaten fast ohne Mitarbeiterinteraktion gesammelt werden. Die Technologie funktioniert für jede Maschine und in jedem Produktionskontext, ob Möbel-, Küchen-, Laden- oder Holzbau.

Hersteller erhalten somit den Überblick über aktuelle Stückleistung von jeder Maschine und vielen Arbeitsplätzen. So erfassen sie die tatsächlich wertschöpfend gearbeitete Zeit in ihrer Fertigung und gewinnen die Übersicht über ihre Produktionsprozesse (zurück). Auf Knopfdruck jeden Materialstapel in der Produktion zu finden, den Fortschritt der laufenden Aufträge einzusehen, Vorgabe- und Bearbeitungszeiten sowie automatisch generierte Stückkosten zu erhalten, ist somit nicht mehr nur Wunschdenken, sondern der nächste Schritt zur vollständigen Produktionstransparenz.

Digital und praxistauglich

Als Berater kennen wir das unternehmerische Denken und Handeln unserer Kunden. Für sie ist immer die Frage nach dem konkreten Nutzen und der Anwendung für die eigene, individuelle Situation relevant. Stets zu wissen, ob die Produktion im Fluss ist und den eigenen Wertstrom zu kennen – das verbinden viele aus vergangenen Erfahrungen mit hohen Kosten, einem enormen zeitlichen Aufwand bei der Implementierung und insgesamt sehr wenig Flexibilität.

Die digitale Wertstromoptimierung leitet nun ein Umdenken ein: Im Vergleich zu anderen Methoden liegt bei der digitalen Wertstromanalyse ein großer Vorteil in der unkomplizierten und schnellen Implementierung der Technologie. Dort wo früher ein Mitarbeiter tagelang die Maschinenzeit händisch erfasste, werden Produktionsdaten heute automatisch gewonnen. Hohe Personalkosten sind somit passé. Da hierbei kostengünstige Massenhardware zum Einsatz kommt, profitieren die Kunden auf allen Ebenen von einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis.

Die digitale Wertstromanalyse bietet eine kostengünstige Möglichkeit für Hersteller, die Übersicht über ihre Produktion zu erhalten und in der Folge punktgenaue Optimierungsmaßnahmen einzuleiten. Darüber hinaus bündelt diese Methode die Vorteile der Digitalisierung auf beispielhafte Art und Weise: Hier vereinen sich einfache Bedienbarkeit, universelle Einsatzmöglichkeit, kostengünstige Hardware sowie ein geringer Installations- und Wartungsaufwand zu einer praxistauglichen, digitalen Lösung für jedermann.  

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